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Nachrichten von 17.09.2007, 09:22:11
Betreff: Unternehmen wollen die illegale gezahlten Umsatzsteuer der letzten Jahre zurück

Oberstenfeld/Berlin – Es klingt beinahe zu unglaublich, um wahr zu sein: Durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes im Jahr 2002 soll dieses nichtig geworden sein. Unternehmer aus ganz Deutschland gehen nun gegen das Gesetz vor und verlangen die Steuern der vergangenen fünf Jahre zurück. Einer der Vorreiter ist Peter Hirschfeld aus Oberstenfeld.Zum Jahresbeginn 2002 war das Umsatzsteuergesetz geändert worden. Neue Regelung: Der Paragraf 27 b, die sogenannte Umsatzsteuer-Nachschau. Sie gestattet den Finanzbehörden, sich die Räume von Unternehmen und Selbstständigen unangemeldet anzusehen.


Schon im April 2002 wandte sich die damalige finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gerda Hasselfeldt (CSU), mit der Anfrage an die Bundesregierung, ob man aufgrund des fehlenden Zitiergebots (siehe Kasten) von der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung ausgehen müsse.

Das geänderte Gesetz verletzt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Deshalb hätte ein Hinweis auf den entsprechenden Artikel 13 des Grundgesetzes eingefügt werden müssen. Eine formal-juristische Klausel, die missachtet wurde. Gerda Hasselfeldt gab sich mit der Antwort von Finanzstaatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zufrieden, man sei sich des Grundrechtseingriffs bewusst.

Nun hat der Düsseldorfer Verein Curare „zur Förderung der Menschenrechte in Gesetzgebung und Verwaltung“ des Pädagogen und Journalisten Klaus Müller den Verstoß gegen das Zitiergebot entdeckt und folgert anhand diverser Urteile, dass das Umsatzsteuergesetz seit dem Jahr 2002 nichtig ist. Begründung: Wird ein verfassungswidriges Gesetz erlassen und verkündet, ist es automatisch nichtig. Somit seien alle seitdem erhobenen Umsatzsteuern ohne Rechtsgrundlage eingezogen worden. Dazu zählt auch die Mehrwertsteuer.

Dieser Ansicht hat sich Unternehmer Peter Hirschfeld aus Oberstenfeld angeschlossen. Er liegt ohnehin seit Jahren im Clinch mit den Behörden. Hirschfeld handelt mit selbst entwickelten Teilen für Panzermotoren. Weltweit beschäftigt er nach eigenen Angaben 1600 Mitarbeiter. Aus einem Streit mit dem Bundesamt für Wehrbeschaffung über die Bezahlung eines Lieferauftrages entstand im Jahr 2004 ein Konflikt mit dem Finanzamt Ludwigsburg über die Höhe der Umsatzsteuer. Umso freudiger verlangt Hirschfeld nun diese Steuer zurück.

Seinen Angaben zufolge haben sich bereits mehrere Hundert Freiberufler und Unternehmer aus Deutschland in Internet-Netzwerken zusammengeschlossen, darunter Rechtsanwälte und Steuerberater. Sie alle wollen gegen die Finanzbehörden vorgehen. Hirschfeld hat in dieser Woche Feststellungsklage beim Finanzgericht Stuttgart eingereicht. Darin beantragt der 48-Jährige, die Nichtigkeit seiner Umsatzsteuerbescheide festzustellen, da diese auf einem nichtigen Gesetz beruhten.

Klaus Müller von Curare ist das nur recht: „Es muss eine Grundsatzentscheidung her.“ Er hofft, auf diesem Weg zu erzwingen, dass Deutschland ein verständliches Steuerrecht erhält.
Dass den Finanzbehörden der Fehler bekannt ist, wie die Steuer-Rebellen behaupten, darauf gibt es in der Tat Hinweise, unter anderem in Fachbüchern zur Umsatzsteuer. Einen dieser Gesetzeskommentare hat der für die Umsatzsteuer zuständige Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium, Jörg Kraeusel, mitverfasst. Auch darin wird die Nichtigkeit der Norm erläutert.

Dies könnte brisante Folgen haben: Staatsdiener sind an Recht und Gesetz gebunden. Hat ein Beamter Bedenken, ein Vorgang sei unrechtmäßig, muss er Einwände erheben. Das haben Kraeusel und sein Mitautor Michael Langer – ebenfalls Beamter im Finanzministerium – wohl nicht getan. Ulrike Abratis, Sprecherin des Berliner Ministeriums, erklärt auf Anfrage, in ihrem Haus seien lediglich vor Verabschiedung des Gesetzes verfassungsrechtliche Zweifel geäußert worden. „Derzeit haben wir überhaupt keine Bedenken.

Weiteres Indiz: Peter Hirschfeld will von einem Insider der Oberfinanzdirektion Karlsruhe erfahren haben, dass man sich auch dort der Problematik bewusst ist, entsprechende Verfahren aber einfach verzögern will.

Der pensionierte Kriminalbeamte Burkhard Lenniger, Mitstreiter Hirschfelds aus Otterndorf (Kreis Cuxhaven), spricht von Missachtung der Verfassung „mit Vorsatz“. Er hat beim Finanzgericht Hannover Feststellungsklage eingereicht. Ihm zur Seite steht der pensionierte Strafrichter Günther Plath.

Lenniger liegt nach eigenen Angaben die Aussage eines ranghohen Finanzbeamten aus Nordrhein-Westfalen vor. Der soll vor Buchprüfern erklärt haben, man sei sich der Verfassungswidrigkeit bewusst, wolle die Sache aber aussitzen. Nun sammelt Lenniger Zeugen und will den Beamten dann nennen.

Die Behörden ziehen sich auf eine zeitliche Argumentation zurück: „Es hat seit 2002 zahlreiche Prozesse vor den Finanzgerichten auf Grundlage des Umsatzsteuergesetzes gegeben“, sagt Wilhelm Treier, Leiter des Finanzamts Ludwigsburg. Wenn es verfassungsrechtliche Bedenken gegeben hätte, wären sie dort zutage getreten. Das war zumindest beim Bundesfinanzhof und dem Bundesverfassungsgericht nicht der Fall.

Dass es den Steuer-Rebellen gelingen könnte, eine Lawine loszutreten, an deren Ende die Erstattung von Milliarden Euro Umsatzsteuern stünde, glaubt Dieter Kies nicht. Der Professor für Umsatzsteuer- und Verfahrensrecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg bezweifelt, dass Paragraf 27 b verfassungswidrig ist. Mehr noch: „Das Bundesverfassungsgericht war in letzter Zeit sehr gnädig mit dem Gesetzgeber.“ Alles, was den Haushalt zu sehr belastet hätte, wurde zumindest für die Vergangenheit abgesegnet.
Peter Hirschfeld ficht das nicht an. „Haben wir ein Grundgesetz oder nicht?“, lautet die Frage, die er geklärt sehen möchte.

Quelle: Ludwigsburger Kreiszeitung / 1.Sept. 2007
Autor: Daniel Völpel

Lesen Sie unbedingt den Kommentar zu diesem Bericht unter:
https://derpranger.org/index.php/umsatzsteuer-oberstenfelder-unternehmer-will-umsatzsteuergesetz-kippen/#more-40

Und noch mehr hierzu unter:
http://www.mmgz.de/newsletter/letter/24_08_2007_20_13_14.htm (Steuern)
http://www.mmgz.de/newsletter/letter/01_08_2007_12_07_54.htm (BRD-GmbH)
http://www.mmgz.de/newsletter/letter/31_07_2007_15_22_24.htm (Umsatzsteuer)

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