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Nachrichten von 07.08.2007, 17:33:51
Betreff: Pfänden auf eigene Rechnung, allerdings auch in eigener Haftung

Von Holger Siebnich

Berlin/Baden-Baden/Rastatt - Wenn es an der Tür klingelt, schlägt das Herz vieler Schuldner schneller. Ist es der Gerichtsvollzieher? Künftig könnte die Herzfrequenz noch öfter in die Höhe schnellen. Bislang dauert es oft Monate, bis die Beamten Gerichtsurteile bei den Schuldnern vollstrecken. Das soll sich ändern: Mehrere Bundesländer haben im Bundesrat einen Gesetzentwurf durchgebracht, der die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens vorsieht.

Sollte das Gesetz auch den Bundestag passieren, kleben die Gerichtsvollzieher ihre Kuckucks künftig als private Unternehmer auf Fahrräder und Stereoanlagen. In der Praxis würde das bedeuten, dass ein Gläubiger direkt einen Gerichtsvollzieher beauftragen kann, sein Geld beim Schuldner einzutreiben. Anschließend rechnet der Gerichtsvollzieher mit dem Auftraggeber ab.

Bislang müssen sich Gläubiger an die Gerichtsvollzieherstellen bei den Amtsgerichten wenden. Dort sind die Gemeinden in Bezirke aufgeteilt, die einzelnen Gerichtsvollziehern fest zugeordnet sind. Die Gerichte erteilen den Auftrag zur Schuldeneintreibung, als Beamte werden die Gerichtsvollzieher vom Land bezahlt.

Doch dieses Modell ist derzeit ein Minus-Geschäft: Die Gebühren für eine Schuldeneintreibung decken bei weitem nicht die Ausgaben. So habe das Gerichtsvollzieherwesen beispielsweise im Jahr 2002 bundesweit mit 198 Millionen Euro subventioniert werden müssen, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.

Darüber hinaus steht die These im Raum, dass die öffentliche Hand den Beamten zu wenig Leistungsanreize bietet, um die Vollstreckungen schnell durchzuziehen. Denn bislang bleiben nach einer erfolgreichen Pfändung bei ihnen nur einige Euro hängen - und die sind pauschal, egal ob die Gerichtsvollzieher 100 oder eine Million Euro eintreiben.

Ob die Privatisierung allerdings zu einer effizienteren Arbeit führt, bezweifelt beispielsweise Jost Jung, Präsident des Landgerichts Baden-Baden. "Dass ein verbeamteter Gerichtsvollzieher nicht so zuverlässig vollstreckt, wie ein selbstständiger, glaube ich nicht", betont er. Dennoch stellt er sich nicht grundsätzlich gegen die Reform. "Es ist sicherlich richtig, dass wir mehr Flexibilität brauchen. Und der Justizhaushalt würde durch den sukzessiven Abbau der Beamtenstellen entlastet."

Hintergrund

Die Gerichtsvollzieher sind ebenfalls für die Privatisierung. Deren Vertreter fordern diesen Schritt seit Jahren. Auch in der Region sind die Beamten dem Thema gegenüber aufgeschlossen, wie Thomas Oesterle erzählt. Er beaufsichtigt seitens des Landgerichts die 17 Gerichtsvollzieher, die in Baden-Baden und dem Landkreis Rastatt eingesetzt sind. "Vor allem die Jüngeren sehen die Reform positiv", erklärt Oesterle.

An einem Punkt reiben sich die Beamten allerdings. Laut des baden-württembergischen Justizministers Ulrich Goll (FDP) könnten die Leistungsanreize für Gerichtsvollzieher nur verstärkt werden, wenn unter ihnen freier Wettbewerb herrscht. Wer effizienter arbeitet, zieht mehr Aufträge an Land und verdient mehr, so die Rechnung.

Um das zu erreichen, müssen allerdings die Bezirke aufgelöst werden, die bislang den Beamten ähnlich wie bei den Schornsteinfegern fest zugewiesen sind. Der Deutsche Gerichtsvollzieherbund warnt: "Das deutsche Vollstreckungssystem ist für einen Wettbewerb nicht geschaffen. Sowohl Gerichtsvollzieher als auch Schuldner sind vor einem eventuell ruiönsen Wettbewerb zu schützen."

Gegen ihre Länderkollegen stellt sich unterdessen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). "Man muss bedenken, dass Gerichtsvollzieher zur Erfüllung ihrer Aufgaben im äußersten Fall sogar körperliche Gewalt anwenden dürfen. Befugnisse dieser Art sind mit großer Verantwortung verbunden, die Private nicht aufgebürdet werden sollten", teilte die Ministerin nach dem Bundesratsbeschluss mit. Sie glaube, dass es derzeit keine Mehrheit im Bundestag für den Gesetzentwurf gebe. Das Parlament wird sich frühestens Ende September mit dem Thema beschäftigen.

Kerstin Krombholz, Schuldnerberaterin beim Landratsamt Rastatt, unterstreicht das Argument der Ministerin. Darüber hinaus sei die Reform mit einer deutlichen Erhöhung der Vollstreckungsgebühren verbunden - und die müssen am Ende die Schuldner zahlen.

Es könne sich aber auch ein anderer Effekt einstellen: "Bei kleinen Beträgen verzichten die Gläubiger dann vielleicht auf ihr Geld, weil sie die hohen Gebühren vorschießen müssen", meint Krombholz. Viele Gläubiger seien allerdings gleichzeitig Schuldner. "Handwerksbetriebe beispielsweise, deren Rechnungen nicht gezahlt werden, die aber in Vorkasse gegangen sind, bekommen dann große Probleme", meint die Schuldnerberaterin. Sie ist überzeugt: "Das System könnte modernisiert werden, aber trotzdem in öffentlicher Hand bleiben."
Nachzulesen unter:
http://www.badisches-tagblatt.de/website/html/ressorts_regional/index.html

Bemerkung der Redaktion zu diesem Thema:

Der Raubrittertum zeigt sich mit jeder Maßnahme der Diktatur BRD-GmbH immer deutlicher. Wer jetzt in der Lage ist die tatsächlich anzuwendenden und übergordneten Gesetze oder Verordnungen einzusetzen wird sicherlich friedlichere Mittel zum persönlichen Schutz einsetzen können. Wer diese Gesetze nicht kennt, wird gezwungen sein, sich gut zu überlegen, worauf es in einer Selbstverwaltung ankommt.

Die Umkehrseite dieser zu erwartenden Maßnahme ist, daß die Gerichtsvollzieher, keine "Gerichtsvollzieher" mehr sind, bewiesenermaßen in persönlicher Haftung aggieren und für jegliche Maßnahme nun auch zur sofortigen Bepfändung herangezogen werden können.

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